DLCO – Der zu wenig genutzte Lungenfunktionstest
Trotz ihrer Komplexität lassen sich die Funktionen des pulmonalen Systems im Wesentlichen in drei Hauptgruppen einteilen:
- Gas in die Lunge hinein und aus ihr heraus bewegen (oder, wie es einer meiner Atemwegs-Dozenten auszudrücken pflegte, «gute Luft rein und schlechte Luft raus»).
- Das Volumengas für einige Momente halten, um die Respiration zu ermöglichen.
- Den Transfer von Sauerstoff und Kohlendioxid in den Blutkreislauf und aus ihm heraus zu ermöglichen.
Praktisch jeder Mediziner ist zumindest mit dem Konzept vertraut, die physikalische Bewegung des Gases in die Lunge und aus ihr heraus zu messen, was wir als Spirometrie bezeichnen. Die Spirometrie wird in der Primärversorgung für die Diagnose chronischer Atemwegserkrankungen immer noch viel zu wenig genutzt – wobei die meisten in der Praxis wissen, was sie mit den Zahlen anfangen können, wenn sie zur Verfügung stehen.1 Auf ähnliche Weise sind die Konzepte der Lungenvolumina seit langem als etwas etabliert, das für das Krankheitsmanagement in Betracht gezogen werden sollte – eine offensichtlich wertvolle Möglichkeit zur Messung und Evaluation.
Leider nur … werden sie in der Regel nicht in Betracht gezogen. Ganze Fachpublikationen wurden schon über die klinische Bedeutung von Lungenvolumenmessungen geschrieben, die zwar zutreffend und grundsätzlich aufschlussreich sind, aber keine wirklichen, praktischen klinischen Schlussfolgerungen aus anormalen Messwerten bieten.2 Um es ganz klar zu sagen, das soll kein Vorwurf an die Autoren dieser Publikationen sein; vielmehr haben sie einfach praktisch nichts, womit sie arbeiten können. Die Mechanismen hinter den Lungenvolumina/-kapazitäten und ihre Wechselwirkungen mit der Atemdynamik können natürlich untersucht und analysiert werden, aber zu welchem Zweck? Kein geringerer Experte als Gregg Ruppel, MEd, RRT, RPFT, Autor des PFT-Buches (Ruppel’s Manual of Pulmonary Function Testing), schrieb einmal: «Lungenvolumina werden als Bestandteil eines vollständigen Lungenfunktionstests betrachtet, wobei ihr Stellenwert für die Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung aber bisher nicht erkannt wurde.»3 Obwohl es fast ein Jahrzehnt her ist, dass diese Worte geschrieben wurden, sind wir einer praktischen Anwendung dieser Messungen ausserhalb der Forschung noch immer nicht wirklich näher gekommen.
Das Land der Diffusion #
Das bringt uns zur Frage, wie gut sich Sauerstoffmoleküle von den Lungenbläschen in den Blutkreislauf bewegen. Diese Messung, die Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (oder manchmal auch Transferfaktor) (DLCO/TLCO) genannt wird, liefert in der Tat eine Menge klinischer Erkenntnisse in Bezug auf verschiedene Krankheitsprozesse. Aufgrund ihrer Aussagekraft werden DLCO-Messungen fast fünfmal so häufig wie Lungenvolumentests vorgenommen, und dennoch wird diese Messung – ähnlich wie die Spirometrie – immer noch zu wenig genutzt und gewürdigt.
Ihre Nützlichkeit beruht auf der Tatsache, dass die DLCO die gesamte Atmungsmembran berücksichtigt, die aus dem Alveolarendothel, dem Gefässendothel und der gemeinsamen Basalmembran besteht.4 Diese Membran ist weniger als einen Mikrometer dick, sodass Sauerstoff und Kohlendioxid buchstäblich durch sie hindurch diffundieren können. Jedoch kann diese Diffusion durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Bei einem Emphysem reduziert die alveoläre Koaleszenz die Oberfläche der Alveolen, wodurch die Moleküle weniger Möglichkeiten haben, ihren jeweiligen Weg zurückzulegen. Die Verdickung der Atemwegsschleimhaut (wie bei der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD)) erschwert die Diffusion der Moleküle, was zu einer Hypoxämie führt – einem typischen Symptom von ILDs wie der Lungenfibrose. Probleme mit der Blutversorgung können sich ebenfalls auf die Transferrate auswirken, wobei eine mangelnde Durchblutung (wie bei chronischen Lungenembolien) die Gasbewegung einschränkt und eine erhöhte Durchblutung (wie bei einer Asthmaentzündung) diese Bewegung wiederum noch verstärkt.
Das macht die DLCO für das gesamte Spektrum der Lungenpathologien so unschätzbar. Die Messung ist wahrscheinlich in Fachkreisen für interstitielle Lungenerkrankungen am bekanntesten, wo diese Verdickung der Atemwegsschleimhaut das Hauptproblem darstellt. Hier kann eine Abnahme der DLCO-Werte als Frühwarnsignal für Erkrankungen wie der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) dienen, und das sogar noch bevor spirometrische Veränderungen zu sehen sind (und damit möglicherweise sogar bevor sich Symptome manifestieren).5 Daher sollte die DLCO zu einem Standardtest für alle Patienten gemacht werden, die ein Risiko für die Entwicklung dieser Art von interstitiellen Erkrankungen haben. Darunter fallen z. B. Patienten, die mit der Einnahme von Amiodaron oder anderen Medikamenten beginnen, die mit diesen Risiken in Zusammenhang stehen (einschliesslich verschiedener Antiinfektiva und neuerer biologischer Therapien). Ausserdem hat sich die DLCO als Instrument zur Verlaufskontrolle dieser Erkrankungen sowie zur Vorhersage der Mortalität etabliert. Eine über fünf Jahre laufende Studie mit mehr als 700 Patienten aus dem europäischen EMPIRE-Register für Menschen mit IPF ergab, dass ein Abfall der DLCO-Werte um 15 % oder mehr im Laufe eines Jahres mit einem dreifachen Sterberisiko bis zum Ende des fünften Jahres verbunden war.6 Die Autoren der Studie stellten fest, dass die DLCO-Werte ein stärkerer Prädiktor für die Mortalität sind als herkömmliche FVC-Messungen, und forderten, dass DLCO-Messungen fester Bestandteil der Betreuung dieser Population werden.
Ein neu sich abzeichnendes Gebiet, in dem DLCO von unerwartet hohem Wert sein kann, betrifft Krankheiten, bei denen der pulmonale Blutfluss betroffen ist, da DLCO die Kreislaufseite der Atmung betrachtet. Eine Studie von 2019 begleitete 259 Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die über eine Rechtsherzkatheteruntersuchung und Inertgas-Rückatmung (zur Bewertung der Herzleistung) diagnostiziert wurde. Die Studie ergab, dass erwartete Faktoren wie Alter, 6-Minuten-Gehstrecke und WHO-Funktionsklasse zwar allesamt unabhängige Prädiktoren für die Mortalität waren, der statistisch aussagekräftigste unter ihnen war jedoch die DLCO.7 Dies untermauerte frühere Forschungsarbeiten, in denen festgestellt wurde, dass Veränderungen der DLCO-Werte zwar nicht gut mit den hämodynamischen Werten korrelierten, aber durchaus prädiktiv für funktionelle Parameter waren. Ein niedriger DLCO-Wert war direkt mit schlechteren Behandlungsergebnissen verbunden.8
Eine verstärkte pulmonale Zirkulation kann sich auf die DLCO-Messung auswirken, allerdings in umgekehrter Richtung. Wie gesagt, es gibt dadurch mehr Möglichkeiten für Moleküle, sich durch die Atemwegsschleimhaut zu bewegen, was zu einem höheren Transferkoeffizienten und damit zu einer höheren Diffusionskapazität führt. Klassisch ist dies bei entzündlichen Prozessen (z. B. Asthma) zu beobachten, wo die erhöhte Blutzufuhr, die die Entzündung befördert, auch den Gastransfer erleichtert. In der Tat hatten in einer Studie von Patienten, bei denen höhere als die vorhergesagten DLCO-Werte festgestellt wurden, 62 % unter ihnen die Diagnose Asthma, Adipositas (wo die Rolle der Entzündung oft unterschätzt wird) oder beides.9 Darüber hinaus gibt es weitere Krankheitsbilder, bei denen ein Überschuss an Hämoglobin- «Güterwaggons» zu einer erhöhten DLCO-Messung führen kann, wie z. B. Polyzythämie oder ein persistierendes Foramen ovale (das einen Rechts-Links-Shunt erzeugt). Dies sind jedoch in der Regel eher «Zebras» und nicht etwas, dass Sie häufig oder sogar explizit aufgrund einer DLCO-Messung finden werden. Dennoch sollten Sie diese Überlegungen im Hinterkopf behalten, da ein bereits existierender «hoher» Zustand die Entwicklung eines «niedrigen» Zustands maskieren kann und daher im Gesamtkontext des Patienten bewertet werden muss.
Der Zusammenhang zwischen DLCO und COPD #
Vor allem bei der Beurteilung und dem Management der COPD haben DLCO-Messungen ein grosses, noch nicht realisiertes Potenzial. Die Rolle der Spirometrie ist hier sehr gut etabliert, aber die Untersuchung des Gastransfers ist ein überraschend starker Anwärter auf den zweiten Platz – besonders bei Menschen, wo emphysemische Schäden im Vergleich zu Bronchitis und Entzündungen überwiegen. Wie schon gesagt, die alveoläre Koaleszenz kann einen grossen Einfluss auf die für den Gasaustausch verfügbare Fläche haben. Ergebnisse des renommierten COPDGene-Projekts deuten darauf hin, dass ein reduzierter DLCO-Messwert mit einer Vielzahl von COPD-bedingten Morbiditäten assoziiert ist, einschliesslich einer erhöhten Symptombelastung, einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit und einem erhöhten Risiko für Exazerbationen.10 Interessanterweise wurden diese Veränderungen auch bei Kontrolle der FEV1 -Beeinträchtigungen oder des Schweregrads des Emphysems im CT-Scan beobachtet. Längerfristig deutet ein DLCO-Messwert von weniger als 40 % des vorhergesagten Wertes auf eine erhöhte Mortalität hin, sodass Ärzte mit fortschrittlichen Therapien hier aggressiver vorgehen können, um ihre Patienten zu schützen.
Die DLCO hat natürlich auch einen bedeutenden diagnostischen Nutzen. Bei Menschen, die rauchen und eine FEV1- Beeinträchtigung nach einer Bronchodilatation haben (Diagnose von COPD), können niedrige DLCO-Messwerte helfen, zwischen Menschen mit Emphysem und solchen mit chronisch refraktärem Asthma zu unterscheiden. In ähnlicher Weise kann eine restriktive Lungenerkrankung (proportionale Verminderung von FEV1 und FVC) mit hoher Sicherheit von geringer Anstrengung oder schlechter Technik unterschieden werden, einfach durch die zusätzliche Durchführung eines DLCO-Tests. Dieser versetzt den Arzt zudem in die Lage, Störungen des Lungenkreislaufs zu diagnostizieren.11 Dies kann sowohl in der Primärversorgung als auch in der Pulmologie unglaublich nützlich sein, da diese Fälle leicht identifiziert werden können, ohne dass Patienten in dedizierte Lungenfunktionslabore überwiesen werden müssen (was sowohl Zeit spart als auch potenzielle COVID-19 -Expositionen vermeidet).
Sogar eine «Prä-COPD» kann mit DLCO-Messungen erkannt werden. Wiederum unter Bezugnahme auf die COPDGene-Studie haben Wissenschaftler eine Verbindung zwischen einer Erkrankung der kleinen Atemwege (SAD), die oft als Vorstufe eines Emphysems angesehen wird, und einer beeinträchtigten Diffusion hergestellt.12 SAD scheint ein wesentlicher Faktor für den generellen Atemwegswiderstand im Zusammenhang mit einem Emphysem zu sein, ist aber bei der Spirometrie nicht immer als Obstruktion nachweisbar. Da sie jedoch auf CT-Scans nachweisbar ist, analysierten die Wissenschaftler die Krankenakten von Patienten, bei denen sowohl DLCO- als auch CT-Daten vorlagen, und stellten fest, dass DLCO nicht nur bei interstitiellen, sondern auch bei obstruktiven Erkrankungen ein Frühwarnzeichen sein könnte.
Fazit #
Die schwere Belastung des Gesundheitssystems durch COPD und andere chronische Atemwegserkrankungen in Verbindung mit der sich abzeichnenden Zunahme von Long-COVID-Fällen bedeutet, dass Ärzte alles an Informationen benötigen, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Wir können es uns nicht länger leisten, irgendeinen Test oder Datenpunkt zu übersehen, einschliesslich derer, die historisch gesehen spezialisierten Einrichtungen vorbehalten waren. Glücklicherweise kann es sich heute praktisch jede Praxis leisten, die entsprechende Technologie in der Praxis zu implementieren, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. DLCO-Messwerte sind wichtige Informationen für Ärzte, um eine frühere und präzisere PFT-Diagnose zu stellen, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann, die Lebensqualität verbessert und eine qualitativ hochwertige, patientenzentrierte Versorgung zu relativ geringen Kosten ermöglicht. Sie sind der Inbegriff der evidenzbasierten Praxis und bieten einen extrem hohen Nutzen für die gesamte Gesundheitsversorgung.
Mapel DW, Dalal AA, Johnson P, Becker L, Hunter AG. A clinical study of COPD severity assessment by primary care physicians and their patients compared with spirometry. Am J Med. 2015;128(6):629-637. doi:10.1016/j.amjmed.2014.12.018 ↩︎
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