GOLD-Leitlinien 2022: wichtige Aktualisierungen
Die 1998 ins Leben gerufene GOLD-Initiative (eng. «Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease», globale Initiative für chronisch-obstruktive Lungenkrankheiten) stellt jedes Jahr Leitlinien zur Beurteilung und Behandlung der COPD basierend auf der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zur Verfügung. Diese Leitlinien prägen die Behandlung von COPD auf der ganzen Welt.
Von GOLD 2021 zu GOLD 2022: Was hat sich verändert? #
Die GOLD-Leitlinien1 werden jedes Jahr überarbeitet. Diese Änderungen können natürlich erheblich sein und bedeuten, dass etwas gestrichen oder hinzugefügt wird, aber die Mehrzahl der Änderungen spiegelt den wissenschaftlichen Prozess wider: Mit zunehmender Evidenz – in diesem Fall mehr als 160 neue Referenzen – wird das Verständnis eines Fachgebiets immer differenzierter. In den GOLD-Leitlinien 2022 wurden einige nennenswerte Aktualisierungen und Änderungen an den Abschnitten zur Prävalenz und zur wirtschaftlichen Belastung vorgenommen sowie die Leitlinien zur Diffusionskapazität von Kohlenmonoxid (DLCO) ergänzt.
COPD-Prävalenz #
Die Prävalenz ist ein schwieriges Kriterium für die Evaluierung von Erkrankungen wie der COPD. In der Vergangenheit wurde die COPD vor allem mit Zigarettenkonsum assoziiert, aber in jüngster Zeit gibt es auch Evidenzdaten für andere Ursachen und Mechanismen der COPD2.Darüber hinaus ist es aufgrund der Unterschiede zwischen einzelnen Ländern3, nicht einfach, die tatsächliche weltweite Prävalenz der COPD zu beziffern. Wie GOLD daher in seinen Leitlinien angibt, schwanken die Schätzungen der weltweiten Prävalenz je nach Methodologie zwischen knapp unter 4 % und fast 12 %. Viel versprechend an den Überarbeitungen der GOLD-Leitlinien ist die Tatsache, dass bei den jährlichen Aktualisierungen jeweils neue Studien durchgeführt werden, wodurch weitere Referenzen hinzukommen. Dies ermöglicht genauere Schätzungen der weltweiten Prävalenz.
Wirtschaftliche Belastung durch COPD #
Es steht zweifelsfrei fest, dass COPD eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellt. Die GOLD-Leitlinien 2022 umfassen aktualisierte Schätzungen dieser erwarteten weltweiten Last. Für die Vereinigten Staaten wird ein Ansteigen der Kosten im Zusammenhang mit COPD-Exazerbationen bis auf durchschnittlich 40 Milliarden USD pro Jahr in den nächsten zwanzig Jahren erwartet4. Die GOLD-Leitlinien 2022 umfassen zudem zwei Ergänzungen zu ihrer aktualisierten Schätzung der wirtschaftlichen Belastung: In den nächsten zwanzig Jahren wird erwartet, dass Frauen überproportional häufig eine Diagnose erhalten, höhere Kosten verursachen und mehr qualitätsbereinigte Lebensjahre verlieren4. Diese Änderungen spiegeln das gleiche Phänomen wider, das auch bei den verbesserten Schätzungen der Prävalenz zu beobachten ist: Mit grösseren Datenmengen und verbesserten Analyseverfahren können Wissenschaftler noch differenzierter verstehen, wie Trends entstehen
Einbeziehung der DLCO #
Die DLCO ist wie die Spirometrie eine Methode zur Überprüfung der Lungenfunktion (PFT). Dabei bewertet die DLCO die Lungenfunktion allerdings anders als die Spirometrie: Sie misst, wie gut die Lunge eines Patienten Gase aus der eingeatmeten Luft in den Blutkreislauf transferiert, und nicht die Atemwegsobstruktion, ein bisher gängiges Leitsymptom der COPD, das sich aufgrund neuer Erkenntnisse jedoch geändert hat. Die Einbeziehung der DLCO in die GOLD-Leitlinien 2022 ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. In den Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass niedrige DLCO-Werte mit verschiedenen klinischen Auswirkungen assoziiert sind, wie z. B. einem schlechteren Gesundheitszustand und einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit.5 Entscheidend dabei ist, dass diese mit niedrigen DLCO-Werten assoziierten Folgen «unabhängig von anderen klinischen Variablen und dem Grad der Atemwegsobstruktion6»6 auftraten. Damit wird die Rolle der DLCO als komplementäre und im Vergleich zur typischen Spirometrie noch aussagekräftigere Methode zur Charakterisierung der COPD erneut unterstrichen. In der Vergangenheit wurde die DLCO nicht als prioritär bei der Lungenfunktionsprüfung angesehen. Aufgrund der Einführung tragbarer Geräte für die DLCO-Messung, wie z. B. dem EasyOne Pro, hat GOLD seine Richtlinien allerdings diesbezüglich inzwischen geändert.
Die überarbeiteten Abschnitte hinsichtlich Prävalenz und wirtschaftlicher Belastung sowie der zusätzliche Abschnitt zur DLCO unterstreichen die enorme Dringlichkeit, dass Diagnose, Prävention und Behandlung der COPD auf der ganzen Welt weiter optimiert werden müssen.
Die Wichtigkeit der GOLD-Leitlinien für die PFT-Fachwelt #
Lungenfunktionstests stellen einen zentralen Bestandteil der COPD-Diagnostik und -Behandlung dar, wie in den GOLD-Leitlinien dargelegt. GOLD gibt Leitlinien für die Durchführung von PFTs vor, definiert die Bewertungskriterien der Messwerte und aktualisiert seine Leitlinien auf der Grundlage neuer Erkenntnisse, wie z. B. die bereits erwähnte Einbeziehung von DLCO-Messungen in die GOLD-Leitlinien 2022.
Die Leitlinien bieten wissenschaftliche Grundlagen dafür, wie COPD diagnostiziert, gemessen, evaluiert und behandelt werden sollte. Die Leitlinien müssen zudem auch auf die manchmal rasanten weltweiten Entwicklungen reagieren. So liefern sie heute beispielsweise Evidenzdaten und Leitlinien für COVID-19-Impfstoffe und COPD. Anstatt Ärzte mit der unlösbaren Aufgabe allein zu lassen, mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen immer wieder Schritt zu halten, beseitigen die GOLD-Leitlinien diese Hürden und ermöglichen es Ärzten und Forschern, sich stattdessen auf die Patienten zu konzentrieren.
Wie die Herausforderungen bei der Diagnose und Folgenabschätzung von COPD zeigen, sind Krankheitsbilder selten homogen bzw. eindeutig. Bei jedem Patienten äussern sich gegebenenfalls andere Symptome, der Verlauf kann variieren und sogar die Krankheitsursache kann unterschiedlich sein. Und trotz dieser Heterogenität bei der COPD muss GOLD der Fachwelt eine Orientierung bieten. Die Wichtigkeit dieser Leitlinien kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Sie prägen die Behandlung und Erforschung der COPD auf der ganzen Welt.
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Dis-ease. 2022 Report ↩︎
1.2. Celli, B., Fabbri, L., Criner, G., Martinez, F. J., Mannino, D., Vogelmeier, C., Montes de Oca, M., Papi, A., Sin, D. D., Han, M. K., & Agusti, A. (2022). Definition and Nomencla-ture of Chronic Obstructive Pulmonary Disease: Time for Its Revision. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, 206(11), 1317–1325. https://doi.org/10.1164/rccm.202204-0671PP ↩︎
Mathers, C. D., & Loncar, D. (2006). Projections of global mortality and burden of disease from 2002 to 2030. PLoS Medicine, 3(11), e442. https://doi.org/10.1371/journal.pmed.0030442 ↩︎
Zafari, Z., Li, S., Eakin, M. N., Bellanger, M., & Reed, R. M. (2021). Projecting Long-term Health and Economic Burden of COPD in the United States. Chest, 159(4), 1400–1410. https://doi.org/10.1016/j.chest.2020.09.255 ↩︎ ↩︎
Balasubramanian A, MacIntyre NR, Henderson RJ, et al. Diffusing Capacity of Carbon Monoxide in Assessment of COPD. Chest 2019; 156(6): 1111-9.
Elbehairy AF, O’Donnell CD, Abd Elhameed A, et al. Low resting diffusion capacity, dyspnea, and exercise intolerance in chronic obstructive pulmonary disease. J Appl Physiol (1985) 2019; 127(4): 1107-16.
Farkhooy A, Janson C, Arnardóttir RH, Malinovschi A, Emtner M, Hedenström H. Impaired carbon monoxide diffusing capacity is the strongest predictor of exercise intolerance in COPD. Copd 2013; 10(2): 180-5. ↩︎Boutou, A. K., Shrikrishna, D., Tanner, R. J., Smith, C., Kelly, J. L., Ward, S. P., Polkey, M. I., & Hopkinson, N. S. (2013). Lung function indices for predicting mortality in COPD. European Respiratory Journal, 42(3), 616–625. https://doi.org/10.1183/09031936.00146012
de-Torres, Juan P et al. “Clinical and Prognostic Impact of Low Diffusing Capacity for Carbon Monoxide Values in Patients With Global Initiative for Obstructive Lung Dis-ease I COPD.” Chest vol. 160,3 (2021): 872-878. doi:10.1016/j.chest.2021.04.033
Haruna, Akane et al. “CT scan findings of emphysema predict mortality in COPD.” Chest vol. 138,3 (2010): 635-40. doi:10.1378/chest.09-2836 ↩︎ ↩︎
Geschrieben von
Tré LaRosa
Tré LaRosa ist Berater, Wissenschaftler und Autor im Raum Washington, DC, mit umfassender Erfahrung in der Forschung (Grundlagenforschung, translationale und klinische Forschung) und im Bereich der Patient Reported Outcomes (Therapieerfolge). Seine zahlreichen Veröffentlichungen befassen sich mit den Neurowissenschaften, der Pulmologie und den Atemwegserkrankungen, einschliesslich der Patientenperspektive. Er bildet sich ständig weiter, liest und schreibt viel, verbringt gerne Zeit in der Natur und erzählt allen von seinem kleinen Golden Retriever Duncan.