COPD bei Frauen: welche Besonderheiten und Herausforderungen es zu beachten gibt
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, engl.: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) hat bei Frauen ganz spezifische Auswirkungen; daher stehen Ärztinnen und Ärzte bei Diagnose, Kontrolle und Behandlung der Erkrankung vor besonderen Herausforderungen. Im Folgenden wird auf die vielen verschiedenen Aspekte und Probleme eingegangen, mit denen weibliche Betroffene konfrontiert sind, darunter die Ursachen einer COPD, die für eine verzögerte Diagnose und schlechtere Lebensqualität verantwortlichen Symptome sowie die Themen Unterdiagnose, Fehldiagnose und Versorgungszugang.
Häufigkeit und Ursachen von COPD bei Frauen #
War COPD – die dritthäufigste Todesursache – einst bei Männern häufiger, so hat die Häufigkeit bei Frauen in jüngerer Zeit zugenommen.1 Laut der Weltgesundheitsorganisation ist die Zahl der COPD-Fälle in den Vereinigten Staaten zwischen 1998 und 2009 bei Männern zurückgegangen, bei Frauen jedoch angestiegen.1 Mittlerweile steht COPD in den USA bei rauchenden Frauen als Todesursache an erster Stelle.1
Welche Rolle spielt also das Rauchen – Ursache Nummer 1 für COPD – bei diesem Anstieg bei Frauen? Hierzu ist ein kurzer Blick in die Geschichte aufschlussreich. Der Trend zum Tabakkonsum hielt unter Frauen zunehmend Einzug, als sich im 20. Jahrhundert ihre Stellung zu wandeln begann, und verstärkte sich in den 1950er und 1970er Jahren aufgrund der Darstellung als glamourös und schlankheitsfördernd.1
Heutzutage ist Rauchen in den USA und Europa auf dem Rückgang, da sich immer mehr Menschen der schädigenden Wirkung bewusst sind.1 Angesichts dieses Wandels konzentriert sich die Tabakindustrie nun auf Frauen in Entwicklungsländern.1Es wird angenommen, dass zwischen der zunehmenden Zahl an COPD-Fällen unter Frauen in diesen Regionen und dem erhöhten Anteil an Rauchenden ein Zusammenhang besteht.2
Jedoch spielen abgesehen vom Rauchen auch andere Faktoren eine Rolle, die bei der Diagnose von COPD ebenso berücksichtigt werden sollten. So sind z. B. bis zu 45 % der von COPD Betroffenen Nichtraucher.3Im Rahmen der Langzeitstudie «Australian Longitudinal Study on Women’s Health» (ALSWH) wurden über einen Zeitraum von mehr als 23 Jahren Daten aus vier Kohorten von australischen Frauen erhoben, um mögliche Prädiktoren für COPD aufzudecken.3 Die Daten zeigten Folgendes: Bei denjenigen, die bereits bei Studienbeginn Atemschwierigkeiten, Asthma, Allergien, Heuschnupfen oder eine Nasennebenhöhlenentzündung hatten, die ausserdem angaben noch nie geraucht zu haben, und die bei Studienbeginn keine COPD hatten, war die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihnen später im Leben einmal COPD diagnostiziert würde, im Vergleich zu jenen ohne diese Symptome mehr als doppelt so hoch.3
Ein weiterer bedeutender Faktor, der COPD bei Frauen fördert, ist die Raumluftverschmutzung. In Entwicklungsländern sind knapp drei Milliarden Menschen zum Heizen und Kochen auf Holz, Holzkohle, Dung oder Erntereste – also Biomasse als Brennstoff – angewiesen.4Die Verbrennung dieser Stoffe führt zu häuslicher Luftverschmutzung, da dabei grosse Mengen Kohlenstoffmonoxid und schädliches Material wie Russpartikel, die sich in der Lunge ablagern, freigesetzt werden.4 Frauen sind hiervon häufiger betroffen, da sie meist für Kochen und Haushalt zuständig sind.4
Darüber hinaus kann COPD durch die Genetik, anomale Lungenentwicklung, Infektionen sowie unkontrolliertes und schweres Asthma bedingt sein. In manchen Fällen wiederum kann die Ursache unbekannt oder auf eine Kombination von verschiedenen Faktoren zurückzuführen sein.5
Verzögerte Diagnose von COPD bei Frauen #
Frauen mit COPD weisen bei gleichem Schweregrad der Krankheit andere und schwerwiegendere Symptome auf als Männer, was zu Verwirrung bei der Diagnose von COPD führt.6 Obwohl Frauen weniger häufig von Husten und Auswurf berichten, ist der Anteil der von Kurzatmigkeit oder Atemnot (Dyspnoe) Betroffenen höher.6 Zu den weiteren Symptomen zählen Angstzustände und Depressionen.6 Frauen mit COPD sind zudem häufiger von Lungenkrebs, Unterernährung und Osteoporose betroffen, während kardiovaskuläre Komorbiditäten öfter bei Männern zu beobachten sind.6
Verzögerte Diagnosen bei Frauen sind zum Teil auf ärztliche Voreingenommenheit, zu seltenen Einsatz spirometrischer Untersuchungen, Mangel an geschlechtsspezifischen Analysen im Rahmen von Studien sowie eine geringere Zahl von Behandlungsoptionen bei COPD zurückzuführen.6 Darüber hinaus nehmen mehr Männer an Lungenrehabilitations- und pharmakologischen Studien teil.6
Spezifische Auswirkungen von COPD bei Frauen #
Bei Raucherinnen entwickelt sich COPD in einem jüngeren Alter, auch wenn sie über einen kürzeren Zeitraum rauchen als Männer.7 Frauen fällt es unter Umständen schwerer mit dem Rauchen aufzuhören, und das im Vergleich häufigere Auftreten von Angstzuständen und Depressionen kann es noch erschweren, rauchfrei zu bleiben.7
Ausserdem zeigen Studien, dass die Lebensqualität bei Frauen stärker beeinträchtigt wird.7Wie eine populationsbasierte Studie mit dem Titel «The European Community Respiratory Health Survey» ergab, sind Frauen doppelt so oft wie Männer von Dyspnoe, also Kurzatmigkeit bzw. Atemnot, betroffen.7 Bei Frauen ist der jährliche Rückgang des FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen) stärker und sie sind anfälliger für Exazerbationen.7 Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeit bei Frauen höher, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen oder sogar sterben.7
Herausforderungen bei der Behandlung von COPD bei Frauen #
Bei der Behandlung von COPD bei Frauen stellt sich eine Reihe von Herausforderungen. Frauen werden im Vergleich zu Männern häufiger unterdiagnostiziert, seltener spirometrisch untersucht und haben weniger leicht Zugang zu medizinischer Beratung.6 Zudem werden sie häufiger als asthmatisch fehldiagnostiziert, auch wenn bei ihnen womöglich sowohl COPD als auch Asthma vorliegen, wodurch sich die Behandlung verzögert und anschliessend weniger Möglichkeiten für diese zur Verfügung stehen.8
Darüber hinaus kann das Rauchen von Zigaretten für Frauen auch aufgrund ihrer im Allgemeinen kleiner ausfallenden Lungen und Atemwege ein grösseres Risiko darstellen.8 Zudem gibt es Indizien dafür, dass Östrogen einen Einfluss darauf hat, wie Rauch verstoffwechselt wird, und Frauen dadurch physisch anfälliger sind.9
Fazit #
Zu verstehen, wie sich COPD speziell bei Frauen auswirkt, und die Hintergründe zu kennen, ist für die richtige Diagnose, Kontrolle und Behandlung unerlässlich. Eine frühzeitige Diagnose hilft dabei, Behandlungspläne früher umzusetzen, und kann das Patientenergebnis positiv beeinflussen. Um zu verstehen, wie Frauen mit COPD am besten unterstützt werden können, ist weitere Forschung erforderlich.6
Gut-Gobert C, Cavaillès A, Dixmier A, Guillot S, Jouneau S, Leroyer C, et al. Women and COPD: Do we need more evidence? [Internet]. European Respiratory Society; 2019. Available from: https://err.ersjournals.com/content/28/151/180055 ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎
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Geschrieben von
Kelly Sicard
MA
Kelly M. Sicard is a freelance writer with an M.A. in English & Creative Writing who spent over a decade working for a non-profit lung health organization. She lives in New Hampshire with her husband, daughter, and black labrador and enjoys reading, writing, listening to stories, appreciating nature, and spending time with family.