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3. Februar 2021· 6 Minuten Lesezeit

Die Geschichte der PFT – Teil 1

History of pulmonary function testing
Zeitstrahl: Wie sich die Ausrüstung für die Lungenfunktionsprüfungen im Laufe der Zeit entwickelt hat.

Heutzutage betrachtet man Lungenfunktionsprüfungen (PFT) oft als selbstverständlich. Schliesslich hat die moderne Technik die Spirometrie buchstäblich in die Hände der Nutzer gelegt, und selbst aufwändigere Tests wie die Messung der Diffusionskapazität können heute problemlos mit einem mobilen Gerät durchgeführt werden. Um aber wirklich zu verstehen, wie bemerkenswert diese Errungenschaften sind, ist es wichtig, die Anfänge zu betrachten. Dieser Beitrag ist Teil 1 unserer fortlaufenden Serie zur Geschichte der Lungenfunktionsprüfung.

Die Kapazität des Lebens

Im Jahr 1839 hatte ein Ingenieur/Arzt namens John Hutchinson eine Idee. Er war kurz zuvor von der Britannic Assurance Society eingestellt worden, einem neuen Unternehmen im aufstrebenden Londoner Markt für Lebensversicherungen*. Bis zu diesem Zeitpunkt basierten die meisten Lebensversicherungen auf versicherungsmathematischen Tabellen, die anhand eher subjektiver Faktoren wie Alkoholkonsum oder Unterernährung und basierend auf Körpergrösse und Gewicht erstellt wurden.

Für Hutchinson bestand das grösste Problem dieser Daten darin, dass sie auf Fragebögen basierten und somit darauf angewiesen waren, dass die Versicherten nicht einfach eine suboptimale Familienanamnese verheimlichten oder ihr Risiko anderweitig verschleierten. Da es sich bei Britannic Assurance um ein noch junges Unternehmen handelte, konnte man sich nicht das Risiko eines finanziellen Ruins leisten. Man brauchte eine objektive Methode, um die wahrscheinlichste Lebenserwartung eines Menschen zu ermitteln.

Vorläufer zum Spirometer

Hutchinson hatte zu seiner Zeit verschiedene Entwürfe für medizinische Apparaturen gesehen. Da gab es die pneumatische Wanne, die meist zum Sammeln von Gasen für das Studium der Pflanzenwelt verwendet wurde*. Dann gab es das Gasometer, das von keinem geringeren Visionär als Antoine-Laurent Lavoisier für präzise Messungen bei der Ausarbeitung seiner Sauerstofftheorie entwickelt wurde. Und schliesslich gab es das ‘Pulmometer’ von Edward Kentish, das zum ersten Mal Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Lungenkapazität und Erkrankungen lieferte*.

Die verschiedenen Aspekte und Anwendungsbereiche dieser Geräte sollten eine genauere, wissenschaftliche Beurteilung des Lungenstatus (und damit der Lebenserwartung) ermöglichen, zumindest nach Ansicht von Hutchinson. Also machte sich der Arzt/Ingenieur an die Arbeit, die Ausrüstung zu optimieren, indem er die verschiedenen Aspekte der Speicher- und Messgeräte zusammentrug, um so sein eigenes Gerät zu entwickeln. 1844 hatte Hutchinson schliesslich ein Gerät entwickelt, das er Spirometer nannte, eine Kombination aus den lateinischen Wörtern für «Atem» und «messen», und präsentierte das Gerät (sowie die damit gewonnenen Daten) bei Treffen der Statistical Society of London und der Society of Arts.

Das Spirometer von Hutchinson

Sieht man einmal von seiner Grösse ab, wäre das Spirometer von Hutchinson in heutigen PFT-Labors wahrscheinlich gar nicht so fehl am Platz. Der grundsätzliche Aufbau des Geräts ist einem mittels Wasser abgedichteten Spirometer nicht unähnlich, dank dem Einfluss seines Vorgängers, der pneumatischen Wanne. Eine Person atmete dabei durch einen Schlauch aus, verdrängte dabei eine bestimmte Menge Wasser und bewegte einen Indikator, der das Volumen der Ausatmung in Kubikzentimeter darstellte. Das Gerät konnte ausserdem mit einer Reihe von Rollen und Gegengewichten an die jeweiligen atmosphärischen Bedingungen angepasst werden, damit der Druck im Inneren des Geräts dem barometrischen Druck der Umgebung entsprach. Sogar ein Thermometer für entsprechende Korrekturen war vorhanden.

Allerdings hatte das Gerät, wie wir heute wissen, einen grossen Nachteil: Es konnte nur das Volumen messen, nicht aber den Durchfluss. Theoretisch hätte man den Durchfluss auch mit einem geeigneten Zeitmesser oder einer Uhr messen können, aber zu diesem Zeitpunkt waren Lungentests noch so neu, dass diese Tatsache noch nicht einmal als Problem erkannt worden war. Volumen war das A und O.

Anfangszeiten der Lungenfunktionsprüfung

Auch wenn es sich hierbei nicht um vollwertige PFT-Geräte handelte, wie wir sie heute kennen, waren sie andererseits auch nicht primitiv oder unausgereift. Hutchinson hatte das Glück, mit einigen der besten Instrumentenbauer Londons zusammenzuarbeiten, so dass sein erstes Gerät innerhalb exakter Toleranzen konstruiert werden konnte. Ausserdem arbeitete er mit Berufsverbänden der damaligen Zeit zusammen, um Bediener für seine Geräte zu gewinnen und schuf so die Vorläufer der heutigen Lungenfunktionstechniker.


Als Wissenschaftler wusste Hutchinson auch, wie wichtig standardisierte Testverfahren sind, und das Protokoll, das er für sein neues Gerät entwickelte, enthielt detaillierte Anweisungen, wie und in welcher Reihenfolge die Tests durchgeführt werden mussten, um qualitativ hochwertige Daten zu erzielen, also auch hier vergleichbar mit modernen PFT-Laborprotokollen. Mit einem soliden Verfahrensprotokoll, seinem hochpräzisen Gerät und geschulten Technikern gelang es Hutchinson, einige der frühesten epidemiologischen Datensätze zur Lungenfunktion zu erfassen und Faktoren zu identifizieren, die die Vitalkapazität eines Menschen beeinflussen.

Grundlegende Konzepte bei der Lungenfunktionsprüfung

Hutchinson und sein Team erhoben Daten von Tausenden Londonern mit unterschiedlichem gesundheitlichen Problemen und aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Interessanterweise ergaben sich aus der Verwendung dieser mittlerweile überholten Geräte viele der grundlegenden Konzepte bei der Lungenfunktion, die auch heute noch Gültigkeit haben. Hutchinsons Arbeiten bestätigten, dass die Vitalkapazität direkt mit bestimmten körperlichen Faktoren wie Körpergrösse und Bauchumfang zusammenhing. Er demonstrierte, dass auch das Alter einen Einfluss auf die Funktion haben kann, indem er seine eigene Vitalkapazität über mehrere Jahre hinweg aufzeichnete.

Schliesslich demonstrierte er vor einem Auditorium von Ärzten und Wissenschaftlern, dass er ihre Vitalkapazität allein anhand ihres Alters und ihrer Körpergrösse genau vorhersagen konnte. Daneben wurden Daten auch für verschiedene Berufe zusammengestellt, was erste Vergleiche basierend auf der körperlichen Verfassung und ähnlichen Faktoren ermöglichte. Leider waren Frauen von der Auswertung (und damit von der Entwicklung prognostischer Diagramme) weitgehend ausgeschlossen, und zwar nicht aus irgendeinem wissenschaftlichen Grund, sondern weil die damals herrschenden Sittenregeln sie schlicht hinderten, sich ausreichend zu entkleiden, um die gleichen Brustkorbmessungen und andere Untersuchungen durchzuführen, die die Erstellung der Datensätze für Männer verwendet worden waren. Dieses Problem blieb noch lange nach Hutchinsons Ära bestehen und zeigte, wie umstritten «normale Werte» sein können*.

Zu seinem Verdienst muss man jedoch sagen, dass Hutchinson irgendwann in der Lage war, Unterschiede in der Vitalkapazität auf die Enge der Kleidung zurückzuführen, was ein besseres Verständnis dieser physiologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern ermöglichte, statt einfach davon auszugehen, dass Frauen einfach anders atmen als Männer.

Frühe Spirometrie bei der Diagnose von Atemwegserkrankungen

Trotz dieser Datenlücke erlaubten die Ergebnisse auch Vorhersagen basierend auf dem jeweiligen Krankheitszustand. Tuberkulose (TB) war zu dieser Zeit die grösste Herausforderung unter den Atemwegserkrankungen, insbesondere im Hinblick auf Hutchinsons doppelte Zuständigkeit als medizinischer Berater eines Lebensversicherungsanbieters und als praktizierender Arzt in einem auf TB spezialisierten Krankenhaus. In einer Ära ohne Thorax-Röntgenaufnahmen (und noch bevor die Medizin überhaupt wusste, was die gefürchtete «Schwindsucht» verursachte) wurde die Messung der Vitalkapazität zu einem verlässlichen Hilfsmittel für die Diagnose der Tuberkulose und deren Schweregrad. Eine Absinken der Vitalkapazität um nur 16 % unter den vorhergesagten Wert schien Menschen mit TB von ihren gesünderen Mitmenschen zu unterscheiden, was einige zu der Behauptung veranlasste, dass die Spirometrie dem anderen weit verbreiteten Diagnoseinstrument (Auskultation) in der Diagnostik überlegen sei, obwohl das Stethoskop zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahrzehnten in Gebrauch war*.

Hutchinsons späteres Leben und seine Karriere

Hutchinson verbrachte den Rest der 1840er Jahre damit, weiter Daten zur Vitalkapazität zu erheben, seine Ergebnisse zu veröffentlichen und den Wissensschatz in der Pulmonologie zu vergrössern. Darüber hinaus verbesserte er das Design des Spirometers und gestaltete es kompakter und handlicher für den Einsatz in einer Vielzahl von Umgebungen. Allerdings schien ihn mit der Zeit das Leben in London zu langweilen, denn 1852 packte er seine Sachen und zog buchstäblich ans andere Ende der Welt, nach Australien.
Es ist wenig darüber bekannt, warum Hutchinson übersiedelte oder wie er dort lebte, ausser, dass es einige Jahre dauerte, bis er sich erneut als Arzt etablieren konnte. Einige glauben, dass er umzog, um im australischen Goldrausch sein Glück zu finden, obwohl es auch andere Geschichten über häusliche Streitigkeiten gibt. In jedem Fall scheint er sein Interesse an Spirometrie und an der Epidemiologie in seinem Londoner Büro zurückgelassen zu haben, denn er schrieb nie wieder ein Wort zu diesen beiden Themen. Anfang 1861 zog er erneut um, diesmal auf die Fidschi-Insel, wo er sich leider nach seiner Ankunft die Ruhr zuzog. John Hutchinson starb im Verlauf des Jahres und hinterliess ein bedeutendes Vermächtnis, das die Lungenfunktionsgeräte bis heute prägt.

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Michael Hess
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BS, RRT, RPFT
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