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Relevanz von DLCO- und Lungenfunktionstests für ein optimiertes Patientenmanagement bei Long COVID

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Zusammenfassung/Executive Summary

Das SARS-CoV-2-Virus ist eine weltweite Gesundheitskrise. Die durch das Virus verursachte akute Erkrankung COVID-19 wirkt sich weltweit massiv auf die Gesundheitssysteme aus und führt zu vermehrten Krankenhausaufenthalten und einer erhöhten Auslastung der Intensivstationen. Diese Folgen für die Akutversorgung sind jedoch nur der Anfang, wenn man die langfristigen Auswirkung von COVID-19 betrachtet. Es gibt inzwischen eine wachsende Population von COVID-19-Patienten mit lang anhaltenden postakuten Symptomen, ein Syndrom, das oft als «Long COVID» bezeichnet wird. Diese Symptome sind in erster Linie auf eine Beeinträchtigung der Atemwege zurückzuführen, umfassen aber auch neurologische Probleme, kardiovaskuläre Komplikationen und chronische Fatigue.

Verschiedene Untersuchungen lassen einen Zusammenhang zwischen COVID-19 und Veränderungen in der Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität der Lunge (DLCO) vermuten. Diese werden wahrscheinlich durch Veränderungen im Lungenparenchym in Kombination mit verschiedensten Pathophysiologien im pulmonalen Gefässsystem verursacht. Wichtig ist dabei, dass diese Veränderungen ohne eine gleichzeitige Restriktion der Lungenventilation bei einer Spirometrie auftreten können und auch bei einer signifikanten Zahl von COVID-19-Patienten vorhanden sind, die nicht stationär behandelt wurden. Die besten zur Zeit vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass mehr als ein Drittel der Patienten mit diesen sogenannten milden Verläufen noch Wochen nach Einsetzen der Symptome nicht zu ihrem ursprünglichen Gesundheitszustand zurückgekehrt sind.

In vielen Ländern werden derzeit klinische Rehabilitationsprogramme für COVID-19-Patienten aufgebaut (unabhängig davon, ob sie stationär behandelt wurden oder nicht), und einige nehmen bereits erste Patienten auf. Bei den Teilnehmern dieser Programme haben sich sowohl die DLCO als auch andere Parameter hinsichtlich Lungenfunktion und Lebensqualität verbessert. Wenn man bedenkt, dass viele Patienten mit milden Verläufen eventuell gar nicht merken, dass sie infiziert wurden, bis ihre Symptome nicht mehr verschwinden, sind DLCO-Messungen ein wichtiges Instrument für die Diagnose von COVID-19-bedingten respiratorischen Beschwerden. Die DLCO kann auch für die Qualitätsverbesserung von Rehabilitationsprogrammen verwendet werden. Der Einsatz von DLCO-Messungen sollte so schnell wie möglich ausgeweitet werden, um die Behandlungsergebnisse zu verbessern und eine effizientere Versorgung im Gesundheitswesen zu gewährleisten.

Hintergrund

Allgemeine Lage

Die aktuelle Pandemie von COVID-19, verursacht durch SARS-CoV-2 (Schweres akutes Atemwegssyndrom Coronavirus Typ 2), stellt eine globale Gesundheitskrise dar. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist beim Menschen mit einem breiten Spektrum respiratorischer Krankheitsbilder verbunden.* Dies hat zu einem plötzlichen Anstieg von Krankenhauseinweisungen auf der ganzen Welt geführt. Die klinischen Manifestationen variieren individuell je nach Schweregrad der Erkrankung. Bei ca. 80 % der Patienten treten milde Ausprägungen auf, 15 % haben schwere Verläufe und 5 % sind kritisch. Folglich hat die COVID-19-Pandemie den Bedarf an Anschlussheilbehandlungen über alle Krankheitsschweregrade hinweg erhöht.*

Die weltweit hohe Anzahl von COVID-19-Fällen hat zu einer grossen Population von Betroffenen mit lang anhaltenden Symptomen nach der Infektion geführt. Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeit der gängigsten Spätkomplikationen. Insbesondere die Lungenerkrankung ist die am häufigsten berichtete Langzeitkomplikation.*

Klinische Programme zur Versorgung von Personen, die zuvor mit COVID-19 stationär behandelt wurden, sind in der Entwicklung, einige befinden sich bereits in der Einführungsphase. Diese Post-COVID-Programme schliessen sowohl Patienten ein, die während ihres stationären Aufenthaltes eine intensivmedizinische Behandlung benötigten, als auch Patienten, die nicht stationär behandelt wurden und anhaltende respiratorische Symptome haben.* Ähnliche Programme werden weltweit eingerichtet oder sind in Vorbereitung.*

Der Zusammenhang zwischen COVID & DLCO

Bildgebung und Morphologie der COVID-19-Lunge

Die Lungen von Patienten mit COVID-19 zeigen charakteristische pathophysiologische Marker im Gefässsystem, bestehend aus einer schweren Endothelschädigung in Verbindung mit dem Vorhandensein intrazellulärer Viren sowie beschädigter Zellmembranen. Die histologische Analyse der Lungengefässe bei Patienten mit COVID-19 zeigte eine ausgedehnte Thrombose mit Mikroangiopathie.* Lins et al* haben automatisierte quantitative CT-Scans zur Messung der pulmonalen Gefässdichte und des Volumens der kleinen Blutgefässe verwendet. Die Autoren fanden auffällige Anomalien in der Verteilung des Blutvolumens innerhalb des pulmonalen Gefässbaums bei COVID-19-Patienten, was mit einem erhöhten pulmonalen Gefässwiderstand in Gefässen unterhalb der CT-Auflösungsgrenze in Einklang steht.

(Siehe Abb. 3)

*Muriel Lins, MD, Jan Vandevenne, MD, Muhunthan Thillai et al. Assessment of Small Pulmonary Blood Vessels in COVID-19 Patients Using HRCT. Academic Radiology, Vol 27, No 10, October 2020

Bei COVID-19-Fällen wurden in der Lunge und in anderen Organen diffuse Endothelentzündungen, Funktionsstörungen und Apoptose als Folge einer direkten viralen Infektion der Endothelzellen beobachtet. Provencher et al* gehen davon aus, dass sich COVID-19 auf den Lungenkreislauf auswirkt und Betroffene möglicherweise eine anhaltende Beeinträchtigung des pulmonalen Gasaustausches aufweisen. Diese Patienten zeigen oft bei Lungenfunktionstests leicht restriktive Muster und ihre eingeschränkte Diffusionskapazität kann teilweise auch vaskuläre Ursachen haben.*

Die Schwere der Erkrankung spiegelt sich in den DLCO-Messwerten nach der COVID-Infektion wider

Innerhalb eines kurzen Zeitraums (weniger als ein Jahr seit Beginn der Pandemie) wurde eine signifikante Anzahl von Arbeiten über die Lungenfunktion bei Patienten mit COVID-19 nach Entlassung aus dem Krankenhaus veröffentlicht (siehe Anhang 1). In allen Veröffentlichungen beobachteten die Autoren durchweg, dass die Beeinträchtigung der DLCO im Vergleich zu restriktiven Spirometriemustern stärker ausgeprägt war, was die Relevanz von DLCO-Messungen bei der Behandlung von COVID-19 unterstützt. Die folgende Abbildung zeigt die signifikante Anzahl von Patienten mit anormaler DLCO jeweils nach milden, moderaten bzw. schweren Verläufen von Covid-19.*

Stellenwert und Einsatzmöglichkeiten der Lungenfunktionsprüfung einschliesslich DLCO nach der akuten Phase

Rehabilitation von COVID-19-Patienten, die stationär behandelt wurden

Die Beeinträchtigung der Diffusionskapazität ist Ausdruck der pulmonalen Folgeerscheinungen von COVID-19. Erfreulicherweise konnte gezeigt werden, dass Rehabilitationsprogramme die DLCO verbessern und erste Studien haben gezeigt, dass die Rehabilitationsprogramme das Behandlungsergebnis von Long-COVID-Patienten verbessern.* Es ist mittlerweile erwiesen, dass die DLCO ein empfindlicher Indikator für den Schweregrad der Infektion ist.

Liu et al* haben eine randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen der pulmonalen Rehabilitation bei 36 männlichen und weiblichen Patienten, die sich von einer COVID-19-Erkrankung erholen, durchgeführt (Alter: 69 ± 8 Jahre). Nach 6 Wochen Atemmuskeltraining verbesserten sich DLCO und 6MWT-Distanz um ca. 30 % gegenüber der Kontrollgruppe.

Puchner et al* haben festgestellt, dass die multidisziplinäre Rehabilitation zu einer signifikanten Verbesserung der Lungenfunktion führte, was sich in einer Zunahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) (p=0,007), des forcierten exspiratorischen Volumens innerhalb einer Sekunde (FEV1)(p=0,014), der totalen Lungenkapazität (TLC) (p=0,003) und der Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO) (p=0,002) zeigte. Sie gelangten zu der Schlussfolgerung, dass Patienten, die nach einem schweren COVID-19-Verlauf entlassen wurden, häufig nach der Entlassung anhaltende körperliche und kognitive Funktionsstörungen aufweisen. Für diese Patienten sind multidisziplinäre stationäre Rehabilitationsprogramme von grossem Nutzen. DLCO-Messungen könnten daher einen sehr positiven Einfluss auf die Behandlungsergebnisse von Patienten haben, da sie sicherstellen, dass Langzeitfolgen schnell erkannt werden und die Rehabilitation so früh wie möglich beginnen kann. Besonders wichtig ist das für Patienten, die nicht stationär behandelt wurden, aber dennoch ggf. mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben. Darüber hinaus könnten serielle DLCO-Messungen auch potenziell zur langfristigen Verbesserung und Feinjustierung von Rehabilitationsprogrammen verwendet werden, da kontinuierliche Messungen und Trends Aufschluss darüber geben, wie wirksam die Verfahren der jeweiligen Rehabilitationsstrategien sind.

Long COVID bei Patienten, die nicht stationär behandelt wurden

Die Mehrzahl der Covid-19-Patienten haben relativ milde Krankheitsverläufe und werden daher in der Regel nicht stationär aufgenommen. Vielen ist vielleicht gar nicht bewusst, dass sie an COVID-19 erkrankt sind, bis sie Symptome feststellen, die nicht mehr verschwinden. Derzeit gibt es nur wenige Daten zum langfristigen Krankheitsverlauf in diesen Fällen. Laut einer Umfrage der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) waren 35 % der Patienten mit milden COVID-19-Verläufen, die nicht stationär behandelt worden waren, 14 bis 21 Tage nach Einsetzen der Symptome noch nicht wieder zu ihrem ursprünglichen Gesundheitszustand zurückgekehrt.*

Die grosse Zahl von Patienten mit Long COVID, die nicht stationär behandelt wurden,* in Kombination mit der signifikanten Veränderung der DLCO selbst bei milden COVID-19-Fällen* legt nahe, dass die DLCO als Routinemessung bei allen COVID-19-Patienten mit anhaltenden Symptomen durchgeführt werden sollte – als zusätzlicher objektiver Messwert zur Beurteilung einer möglichen Lungenschädigung und zur Frage, ob eventuell ein Rehabilitationsprogramm erforderlich ist.

ANHANG 1 – Veröffentlichungen, die den Zusammenhang zwischen DLCO und dem Schweregrad von COVID-19 zeigen

Torres-Castro et al* haben vor kurzem die veröffentlichten Atemwegsfunktionen bei 380 Patienten nach einer Infektion mit COVID-19 zusammengefasst. In der Sensitivitätsanalyse fanden sie eine Prävalenz von 0,39 für beeinträchtigte DLCO, 0,15 für ein restriktives Muster und 0,07 für ein verändertes obstruktives Muster.

Sonnweber T et al* haben eine prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie zur kardiopulmonalen Erholung 60 und 100 Tage nach bestätigter Diagnose bei 145 COVID-19-Patienten veröffentlicht. 41 % aller Studienteilnehmer wiesen 100 Tage nach Beginn der COVID-19-Erkrankung anhaltende Symptome auf, wobei Dyspnoe am häufigsten auftrat (36 %). Die Patienten hatten eine eingeschränkte Lungenfunktion, wobei eine verminderte Diffusionskapazität der deutlichste Befund war (21 % der Probanden).

Van der Sar et al* führten eine prospektive Kohortenstudie mit 101 Patienten sechs Wochen nach der Krankenhausentlassung durch. Die Probanden wurden interviewt und Lungenfunktionstests unterzogen. Eine Diffusionslimitierung (DLCO < 80 % des prognostizierten Wertes) wurde in 66 (71,7 %) von 92 Fällen festgestellt, eine Obstruktion in 26 (25,7 %) von 101 und eine Restriktion in 21 (21,2 %) von 99. Nach einer schweren Pneumonie war die Diffusionskapazität signifikant reduziert. FEV1 und DLCO zeigten signifikante positive Korrelationen mit mMRC-Scores und mehreren SF-36-Domänen, insbesondere mit der körperlichen Funktionsfähigkeit.

Guler et al* führten die Schweizer COVID-19-Lungenstudie durch, eine multizentrische, prospektive Kohorte mit 113 COVID-19-Patienten (mild/moderat 47, schwer/kritisch 66), die pulmonale Folgeerscheinungen von COVID-19 erforscht hat. Nach vier Monaten waren die Beeinträchtigungen hinsichtlich Lungenfunktion und körperlicher Leistungsfähigkeit bei den Patienten, die zuvor einen schweren bzw. kritischen COVID-19-Verlauf hatten, ausgeprägter als bei den Patienten mit einer milden bzw. moderaten Erkrankung. Insbesondere war der gemessene prozentuale DLCO-Wert im Vergleich zum erwarteten Wert nach vier Monaten das wichtigste, unabhängige Korrelat für eine schwerere Ersterkrankung.

Zhao et al* zeigen, dass drei Monate nach der Entlassung bei einem beträchtlichen Anteil der COVID-19-Patienten, die keine Intensivbehandlung benötigt hatten, radiologische und physiologische Anomalien vorlagen. Ein höherer D-Dimer-Wert bei der Krankenhauseinweisung könnte tatsächlich drei Monate nach der Entlassung eine beeinträchtigte DLCO vorhersagen.

Shah et al* haben eine Studie mit 60 COVID-Patienten 12 Wochen nach Einsetzen der Symptome durchgeführt und die klinischen, radiologischen und pulmonalen Funktionsstörungen aufgezeigt. Anschliessend identifizierten sie klinische Prädiktoren für die respiratorische Prognose. Mindestens ein Lungenfunktionswert war bei 58 % der Patienten anormal, und 88 % hatten eine anormale Bildgebung im Thorax-CT. Zwischen der Anzahl an Tagen mit Sauerstoffzufuhr während der akuten Phase der COVID-19-Erkrankung und sowohl dem DLCO*- als auch dem Gesamt-CT-Score wurde ein starker Zusammenhang beobachtet.

 

Diese Veröffentlichung wurde von Prof. Dr. Helgo Magnussen begleitet, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der ndd.

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